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von Rebecca Sienel

Der deutsche Markt ist stark und weltweit vernetzt.

Deutschland war einst als "Apotheke der Welt" bekannt. Heute nur noch ein verklärender Mythos, verdeutlicht diese Umschreibung dennoch die große Bedeutung der pharmazeutischen Industrie. Die Entwicklung von Arzneimitteln ist ein komplizierter Prozess. Von der chemischen Charakterisierung der Wirkstoffe über klinische Studien und Zulassungsverfahren bis hin zur Produktion und zum Vertrieb der Medikamente arbeiten Pharmaunternehmen mit verschiedenen Partnern im In- und Ausland zusammen. Daher sind die Industriestandorte seit langem weltweit vernetzt, und das Handelsnetz ist eng geknüpft. Die nationalen Standorte profitieren von dieser globalen Zusammenarbeit. Dennoch ist die bestehende starke wirtschaftliche Zusammenarbeit ausbaufähig, vor allem an der Schnittstelle zum Gesundheitswesen und in Zeiten von Gesundheitskrisen.

Deutschland ist ein starker, global wettbewerbsfähiger Partner am Pharmastandort. In Zahlen ausgedrückt: 2019 gab es in Deutschland 510 Pharmaunternehmen und 670 Biotechnologieunternehmen. Die pharmazeutische Produktion belief sich dabei auf 31,1 Milliarden Euro. Pharmazeutische Produkte wurden für 58 Milliarden Euro importiert und für 82,8 Milliarden Euro exportiert. Die Schweiz, die USA und die Niederlande sind wichtige Lieferanten und Abnehmer. In Europa ist Deutschland der umsatzstärkste Pharmamarkt, noch vor Frankreich, Italien und Großbritannien. Darüber hinaus liefert China 7 % der Vorleistungen für die Pharmaindustrie in Deutschland. Im Moment steht die deutsche Pharmaindustrie weltweit noch gut da. Dennoch sollten Maßnahmen entwickelt werden, um sich auf den zunehmenden Wettbewerb vorzubereiten.

Deutsche Pharmaunternehmen

Die pharmazeutische Industrie ist auch im Hinblick auf hochwertige Arbeitsplätze einer der soliden Wirtschaftszweige in Deutschland und daher aus der Industrie nicht wegzudenken. So ist beispielsweise die Bayer AG als einziges deutsches Unternehmen unter den Top Ten der Pharmaunternehmen weltweit. Darüber hinaus zeigen BioNTech und CureVac, die durch die Corona-Pandemie auf sich aufmerksam gemacht haben, wie stark kleine und mittlere Unternehmen in ihrer Innovationsleistung sein können. Darüber hinaus leistet die pharmazeutische Industrie in Deutschland einen überdurchschnittlichen Beitrag zu Forschung und Entwicklung.

Pharmazeutische Wirkstoffe API

Aus China und anderen asiatischen Ländern werden vor allem preisgünstige Arzneimittel (Generika) und Zwischenprodukte nach Deutschland eingeführt. Bei den "active pharmaceutical ingredients" (APIs, d.h. den pharmakologisch wirksamen Bestandteilen eines Arzneimittels) verliert Europa gegenüber Asien an Boden. Die für den Export wichtige pharmazeutische Industrie in Asien ist auf relativ wenige Unternehmen und Regionen konzentriert. Diese Konzentration und regionale Häufung kann in Krisenzeiten leicht zu einer Unterbrechung der Lieferketten führen. Ein Beispiel dafür ist der vorübergehende Lieferstopp Indiens für Paracetamol im Jahr 2020, der zu Engpässen in deutschen Apotheken führte.

China ist der API-Lieferant für German Pharma.

Die pharmazeutische Industrie wird in den asiatischen Ländern - Südkorea, Singapur, China - für Wirkstoffe und Vorprodukte weiter an Bedeutung gewinnen. Chinas größte Märkte für diese Produkte sind Indien, die USA, Brasilien, Deutschland, Japan und die Niederlande. Ob Europa in diesem Wettlauf mithalten kann, ist fraglich. Wachsende Abhängigkeiten könnten in Zukunft die Folge sein. Die Abhängigkeit Deutschlands von China ist in einigen wenigen Produktbereichen besonders hoch: "Vitamine und Koffein, Heparin, Kortison, bestimmte Antibiotika (Tetracycline, Chloramphenicol), einige heterozyklische Verbindungen (Benzothiazol, Barbitursäure, Phenazon, Lactone) und Amine (Aminophenole, Lysin). Die Einfuhren dieser pharmazeutischen Erzeugnisse nach Deutschland haben sich seit 2010 mehr als verdoppelt.

Raum für Verbesserungen im deutschen Pharmasektor

Dennoch muss die Arzneimittelproduktion in Europa verbessert werden, um mögliche Versorgungsengpässe zu vermeiden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie anfällig die globalen Lieferketten in Deutschland sind. Daher müssen konkrete Maßnahmen für eine größere Autonomie der EU bei der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung im Kreis der Mitgliedsstaaten ergriffen werden. Dem Risiko kann mit größerer Unabhängigkeit und besserer multinationaler Vernetzung begegnet werden. Von besonderer Bedeutung sind die Sicherstellung der Qualität von Wirkstoffen, eine größere Transparenz und Diversifizierung der Lieferketten sowie die europäische Zusammenarbeit beim Ausbau der Wirkstoffproduktion für kritische Arzneimittel. Zusammengefasst tragen die folgenden Ansätze dazu bei, die Gesundheitsversorgung in Krisen und die Sicherung der Lieferketten in Deutschland deutlich zu verbessern.

Die Grundstoffe sollten auch mit einem Puffer ausgestattet sein, einem angemessenen Bestand, der eine Überbrückung in der Lieferkette ermöglicht, um Engpässe zu vermeiden. Dies ist vergleichbar mit den pharmazeutischen Lieferketten, die über einen großen Puffer verfügen, der Lieferverzögerungen teilweise abfedern kann, was insbesondere in der aktuellen Corona-Situation von Vorteil ist. Eine bessere Gestaltung von global vielfältigeren Liefernetzen kann zuverlässige und krisenresistente Lieferketten fördern. Die Pharmaindustrie hat ein hohes Innovations- und Wertschöpfungspotenzial. Investitionsförderung, Bürokratieabbau, weniger regulatorische Eingriffe und effizientere Prozesse können dazu beitragen, die klinische Forschung und Biotechnologie zu fördern und zu stärken.